Die diesjährige Gedenkstättenfahrt führte 25 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrkräfte nach Warschau. Im Folgenden finden Sie einen kurzen Abriss der Fahrt, Bilder und Produkte aus einem Workshop zum Kreativen Schreiben, in dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit hatten, ihre Erfahrungen und Eindrücke literarisch zu verarbeiten.
Jüdisches Leben im Gestern und Heute
Die diesjährige Gedenkstättenfahrt führte 25 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrkräfte in die polnische Hauptstadt Warschau.
Die Fahrt hatte zum einem das Ziel sich an historischen Orten mit der einst so reichen jüdischen Kultur, der Nachbarschaft zwischen Juden und Nichtjuden, den Prozessen der Ausgrenzung und Diskriminierung und letztendlich mit dem Prozess der Vernichtung auseinanderzusetzen.
Zum anderem nahm auch das Kennenlernen unseres direkten Nachbarlandes und seiner kulturellen Besonderheiten einen zentralen Platz ein.
Programmpunkte bildeten ein von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst organisierter und durchgeführter Rundgang durch das Gebiet das ehemaligen Warschauer Ghettos, der Besuch des erst 2017 eröffneten Museums zur Geschichte der polnischen Juden und des Museums zur Geschichte des Warschauer Aufstandes 1944, die Besichtigung der einzigen noch in Warschau existierenden Synagoge und ein Workshop zum Thema Nachbarschaft zwischen katholischen und jüdischen Polen vor und während der deutschen Besatzung.
Der emotional fordernste Tag war sicherlich die Fahrt in das ehemalige Vernichtungslager Treblinka 80 Kilometer nordöstlich von Warschau. Innerhalb von neun Monaten wurden hier durch 30 SS Leute und 150 zumeist ukrainische „Hilfskräfte“ 900.000 Juden ermordet. Anschließend wurde das Gelände eingeebnet und in eine Blumenwiese umfunktioniert.
Am vorletzten Tag unserer Reise hatten wir die großartige Gelegenheit mit Krystyna Budnicka – eine der wenigen noch lebenden Überlebenden des Warschauer Ghettos – reden zu dürfen. Sie überlebte als Kind als einziges Mitglied ihrer Familie den Holocaust. Ihre warmherzige, offene Art und ihre Lebenskraft beeindruckte uns alle nachhaltig.
Beim gemeinsamen Besuch eines der wenigen Restaurants mit alten jüdischen Gerichten auf der Speisekarte wurde noch einmal viel über das Gesehene und Erlebte gesprochen und nachgedacht.
Ergebnisse des Reflexionsprozesses sind ebenfalls auf dieser Seite veröffentlicht. Diese Schülerprodukte entstanden während der Fahrt im Rahmen eines Workshops zum kreativen Schreiben und bedürfen wohl keiner weiteren Erläuterung.
Ausblick: Wohin uns unsere Reise im nächsten Jahr führen wird, steht noch nicht endgültig fest, zur Auswahl stehen Auschwitz/Krakau und Warschau.
Hitze (Warschau)
Hitze. Diese gottverdammte Hitze. Die Sonne brennt regelrecht auf meiner Haut. Kein Wunder, wenn ich in dieser polnischen Einöde festsitze, doch die Pflicht ruft. Aus der Ferne erklingen Rufe im Kauderwelsch der einheimischen Arbeiter, dann ein Schlag und ein schmerzerfüllter Schrei. Ich seufze genervt angesichts der Störung meiner Tagträume. Wieso müssen diese Ostbewohner nur so animalisch sein? Doch als arischer Mensch kann man diese Abwesenheit jeglicher Tiefgründigkeit nicht nachvollziehen. Pflichterfüllung, Träume, Vaterlandsliebe, all das können sie nicht einmal erahnen, diese tiergleichen Existenzen. Nicht einmal die einfachsten Arbeiten erfüllen sie, ohne dass man sie ständig überwacht.
Zerstörung
Berührend – zerstörend
Erinnerungen wie Wasser
Flüssig
Sie können überall hindurch
Erinnerungen wie Steine
Sind fest
Man wird sie niemals los
Sie verlaufen und überfüllen
Die Gedanken
Ist man allein
Oder zusammen?
Die Gewalt, die Gefahr
So unachtsam
Ganz viel, so weit
Durch Gruppenangehörigkeit
Und jetzt?
Ist man zusammen
Oder allein?
Tagebucheintrag (Warschau)
Es war ein Tag wie kein anderer in meinem Leben. Ein Tag voll Angst, Furcht und Hoffnungslosigkeit, als der Bunker, in welchem ich mich befand, von deutschen Truppen umkreist wurde. Ich sah nur einen dunklen, angsteinflößenden, zertrümmerten Gang. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich noch nicht, dass dieser Gang der Weg in meine Freiheit sein würde. Überall lagen Steine, Trümmer und Staub. Ich hörte die Schritte und Schreie von circa dreihundert weiteren Menschen, die sich ebenfalls in dem Bunker befanden. Jeder ahnte, dass dieser Tag unser Todestag sein könnte. Fünf von sechs Ausgängen des Bunkers waren von Deutschen versperrt, doch irgendetwas in mir sagte: „Lauf weiter!“
Ich lief und lief, roch nur noch Staub und das eindringende Gas. Mein Mund war trocken und geschmacklos, mir schossen Gedanken und Emotionen von Angst, Flucht, Trauer, Unverständnis und Tod in den Kopf. Doch die einzige Frage, die mich in diesem Moment beschäftigte, war: Kann ich hier lebend rauskommen?
Alles zog an mir vorbei. Ich lief nur noch. Plötzlich erblickte ich am Ende des Ganges einen Schein von Licht. Meine Hoffnung stieg, hier doch noch lebend herauszukommen. Das Unvorhergesehene geschah. Tatsächlich schaffte ich es, den einzigen freien Ausgang zu finden und zurück an das Tageslicht zu gelangen. Niemals hatte ich damit gerechnet.
Letztendlich hat sich herausgestellt, dass fünfzehn von dreihundert Menschen, mit mir, überlebt haben. Diese Zahl und diese Tat ist jedoch bis heute für mich unverständlich.
Ich spürte nur Angst, Trauer und den Tod. Doch heute habe ich daraus gelernt, nie die Hoffnung aufzugeben. Verständnis für den 8. Mai werde ich niemals haben, ebenso wie mich dieser Tag mein Leben lang begleiten wird, doch gelernt habe ich, Mut und Stärke zu bewahren und dass es sich definitiv lohnt, für sein Leben zu kämpfen.
Der Soldat, der sich ändert
Warum bin ich hier? Ich will das nicht. Warum tun wir das? Welchen Sinn hat das?
Hier liegen überall Trümmer und Tote. Warum sind hier überall Grabsteine und warum haben mich die anderen allein gelassen? Es ist gruselig hier, überall liegt Asche und es ist Rauch in der Luft, dabei ist es völlig still und nur von weit weg kann ich Züge und Geschrei hören. Hier ist alles still und es bewegt sich nichts.
Ich will nach Hause!
Alles wirkt so trostlos und verlassen…
Moment!
Dort bewegt sich was…
Ist da jemand? – „Hallo?“
Hmm, keine Antwort, doch, da ist ein Kind! Warum versteckt es sich nicht, außer mir ist hier keiner und ich will ihm nichts tun…
Doch jetzt kommt es ein bisschen aus den Trümmern, ob es verletzt ist? Nein, sieht nicht so aus… ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Das Kind ist total abgemagert und sieht total gehetzt aus.
Wir starren uns an –
Was ist das für ein Kind hier alleine? Vielleicht schmuggelt es Essen, davon habe ich schon gehört… Es sieht aber gar nicht aus wie ein Jude. Moment, wie sehen Juden eigentlich aus? Woran erkennt man sie? Wenn es ein Jude ist, müsste ich es erschießen…aber warum eigentlich? Es hat keinem etwas getan, eigentlich muss es ein gutes Kind sein. Es ist sehr mutig, dabei ist es noch ganz klein, vielleicht fünf Jahre. In dem Alter kann es noch gar nichts gemacht haben…es müsste eigentlich fröhlich und lachend spielen, wie wir früher zuhause, dabei sieht es ängstlich und gehetzt und dabei total abgemagert aus.
Daran sind wir schuld! Aber warum machen wir das? Es hat uns doch nichts getan und will nur überleben und ein spielendes Kind ohne Todesangst sein. Müssen wir ihnen nicht helfen, anstatt sie zu töten? Hier ist keiner außer mir…ich muss ihm helfen! Ob es mir überhaupt vertraut? Nach allem, was wir getan haben, vielleicht merkt es ja, dass ich ihm nichts tun will, wenn ich mich erstmal hier hinsetze…
Es tut mir leid…warum haben wir das getan? Ich muss was ändern und ihm helfen! Sie brauchen Hilfe und Schutz von uns.